Panikattacken - Die Fehlzündung im Gehirn


Mein heutiger Blog-Artikel könnte meine eigenen Erlebnisse wiedergeben. Aber vielleicht auch Ihre? Oder die Ihrer Nachbarin, die Sie nur vom Sehen kennen? Die Ihres Kollegen, von dem man das überhaupt nicht erwarten würde? Oder die einer weitläufigen Bekannten, die scheinbar immer alles so top im Griff hat … oder … oder … oder …

 

Panikattacken sind weit verbreitet. Aber nicht Jeder spricht offen darüber. Und ganz egal, in welcher Form oder Ausprägung sie auftreten – für den einzelnen Betroffenen sind sie einfach nur unerträglich.

 

Schon kurz nach der Einfahrt in den Tunnel begann es. Von einer Sekunde auf die andere klopfte mein Herz wie wild. Mein Puls raste. Ich glaubte, das Pochen hören zu können. Spürte, wie das Blut durch meine Adern schoss. Alles war unwirklich, nicht mehr real. Verändert. Meine Fingernägel krallten sich ins Lenkrad. Die Tunnelwände schienen meinen Wagen erdrücken zu wollen. Ich wollte schlucken, aber meine Kehle fühlte sich seltsam trocken an und mein Kiefer war wie verkantet. Ich schnappte nach Luft, das Atmen fiel mir schwer. Mein ganzer Körper zitterte. Ich atmete stoßweise, hechelnd. Nun wurde mir auch noch schwindelig. Ich werde sterben …

 

Die Stimme des Nachrichtensprechers im Autoradio begann zu krächzen, und ich wusste nicht, ob ich den Verstand verliere oder ob es am mangelnden Empfang im Tunnel lag. “Ich werde sterben“, schoss mir ununterbrochen durch den Kopf. Herzinfarkt. Ein Arzt! Ich brauche einen Arzt. Nur nicht ohnmächtig werden. Weiterfahren. Wie lang ist dieser verdammte Tunnel denn noch? Fast im gleichen Moment wurde es heller um mich herum, die Tunnelausfahrt lag direkt vor mir. Ich konnte wieder etwas freier atmen, das Schwindelgefühl ließ ein wenig nach.

 

Es war genauso plötzlich vorbei, wie es begonnen hatte …

 

Wenige Meter nach der Tunnelausfahrt stoppte ich den Wagen in einer kleinen Parkbucht. Ich lehnte mich im Sitz zurück, schaute mich um, fast erstaunt, dass ich noch lebte. Ich stieg aus und ging mit wackligen Knien ein paar Schritte durch das Gras am Straßenrand. Mein Puls schien sich zu normalisieren, die Anspannung im Kiefer und in den Händen hatte bereits nachgelassen. Ich setzte mich auf einen Felsvorsprung, schaute über blühende Alpenwiesen und die Bergkette im Hintergrund. Ich konnte nicht glauben, was mir da passiert war. Es dauerte noch ein paar Minuten, bis sich der Zustand löste, bis ich das Gefühl hatte, wieder Herr meiner Sinne zu sein.

 

 

Die Suche nach der Ursache …

Dieser erste Anfall dieser Betroffenen liegt mehr als 20 Jahre zurück. An Angstattacken dachte sie damals nicht. Sie suchte nach Erklärungen und fand naheliegende Gründe … Stress im Studium, sie stand kurz vor der Prüfung … ihr Nebenjob im Getränkemarkt, der sie körperlich forderte, den sie aber aus finanziellen Gründen dringend benötigte … der vorausgegangene  heftige Streit mit ihrer Schwester, weswegen sie diese Fahrt überhaupt unternommen hatte … zu viel unausgewogene, ungesunde Ernährung in der letzten Zeit … zu wenig Schlaf. Und über all dem stand die Sorge: Bin ich vielleicht doch ernsthaft krank? Werde ich vielleicht gar verrückt? Muss ich mir Sorgen machen?

 

 

“Sie sind kerngesund”, sagte der Hausarzt nur

Die körperliche Untersuchung bei dem Hausarzt, den sie tags darauf durchführen ließ, ergab keinen Befund. Sie war tatsächlich kerngesund. Sie suchte einen weiteren Arzt auf. Er zeigte ihr ebenfalls die negativen Befunde der Herz-/Kreislaufuntersuchungen, gab ihr eine Spritze, “etwas zur Beruhigung, das wird Ihnen gut tun”. Ich schlief zwei Tage und Nächte am Stück und erfuhr später, dass ich ein starkes Beruhigungsmittel bekommen hatte, berichtete sie.

 

 

Unzähligen Betroffenen geht es ähnlich

Google gab es damals noch nicht, um Infos einzuholen, auch kein Amazon, um nach entsprechenden Ratgebern zu suchen, so erzählt sie weiter.

 

In einer Apothekenzeitschrift fand sie durch Zufall einen Artikel über Panikerkrankungen. Das war es! Es gab also noch andere Menschen, denen so etwas passierte. Verrückt ist man deshalb nicht. Der Hausarzt nahm die Vermutung nicht ernst, machte sogar eine abfällige Handbewegung und hatte gemeint, das sei „neumodischer Psychokram“.

 

„Aber ich war mir von diesem Moment an ziemlich sicher, dass es sich um eine Panikattacke gehandelt hatte. Und ich war mir ebenso sicher, dass ich so etwas nie wieder erleben möchte!“, sagt sie.

 

Es blieb nicht bei diesem einen Anfall. Es passierte immer wieder, unvorbereitet, aus heiterem Himmel.

 

Sie vermied fortan alle „gefährlichen“ Situationen

Und sie tat unbewusst das, was – wie man heute weiß - so ziemlich alle Angstpatienten tun: 

Sie mied zukünftig diese und andere Strecken. Sie fuhr einen riesigen Umweg, um nur nicht durch den Tunnel fahren zu müssen. Lehrbuchmäßig generalisierte die Angst in kürzester Zeit. Sie fuhr nur noch Strecken, die sie kannte, kaufte im Laden nebenan ein, zog sich gesellschaftlich immer mehr zurück. Sie spürte, dass die Anderen sie komisch fanden, aber das war ihr egal.

 

„So wollte ich nicht weiterleben …“, sagt sie.

 

Als ihr Nebenjob in Gefahr war, weil sie sich weigerte, aushilfsweise in der Filiale des Getränkemarktes im Nachbarort zu arbeiten, war sie endlich bereit, sich professionelle Hilfe zu holen.

 

 

Die Therapie kostete Überwindung und Anstrengung …

Die Therapie war nicht einfach, ich musste mich mit Dingen auseinandersetzen, die mir unangenehm waren, ich musste mich überwinden, mein Verhalten zu ändern. Aber das Wichtigste war, dass ich mein Denken ändern musste.

 

 

Angst ist eine normale (und sinnvolle) Reaktion des Körpers

In den vielen Stunden, die ich bei meiner Therapeutin verbrachte, lernte ich, dass Angst eine normale Reaktion des Körpers ist. Dass Angst zu unserem Leben dazu gehört und absolut sinnvoll ist.

 

 

MEINE Angst ist NICHT sinnvoll – eher eine Fehlzündung

Ich habe gelernt, dass meine Angst jedoch nicht sinnvoll ist. Denn mein Körper signalisiert mir Gefahr, obwohl keine vorhanden ist. Eine Fehlzündung sozusagen, erklärte meine Therapeutin. Ein Fehlalarm also. 

 

Und allein meine Gedanken sind es, die dem Geschehen eine Bedeutung beimessen, die der Situation nicht angemessen ist.

 

Für meine Therapeutin schien das alles so einfach

Ich verspürte oft Wut auf meine Therapeutin, weil für sie alles so einfach schien. Sehr viel später erfuhr ich, dass sie ihre therapeutische Laufbahn eingeschlagen hatte, weil sie selbst jahrelang an dieser Problematik gelitten hatte.

 

Ich habe viel gelernt über Denkfallen, über dysfunktionale Gedanken und deren (automatische) Bewertungen.

 

 

Das Ziel der Therapie ist keine vollkommene Angstfreiheit

Meine Therapeutin sagte mir bereits beim Erstgespräch, dass es nicht das Ziel einer Therapie sei, vollkommen angstfrei zu werden. Ich habe es damals nicht verstanden. Ich wollte nur, dass diese schlimmen Attacken endlich aufhören, nie wieder kommen, wollte einfach einen Schalter umlegen und wieder normal sein.

 

 

Die Angst aushalten, bis sie nachlässt

Ich machte die Erfahrung, dass die Angst auszuhalten ist und auch wieder nachlässt. Nur so kann die negative Erfahrung, die der Reiz verursacht hat, gelöscht werden.

 

 

Das Ziel ist, mit der Angst umzugehen

Heute weiß ich, auch dank zahlreicher Informationen im Internet, dass es so einfach nicht geht. Aber ich habe Werkzeug an die Hand bekommen, um Attacken zu verhindern bzw. auszuhalten, OHNE diese Situationen zu vermeiden.

Die kognitiven Zusammenhänge erscheinen mir logischer denn je. Ich konnte nach und nach spüren, wie es mir besser ging. Bei Rückschlägen halfen mir die Worte der Therapeutin, die mich ermutigten, nicht aufzugeben.

 

Heute gibt es manchmal sogar Momente, wo ich mich fast freue, wenn ich eines dieser alt bekannten Symptome spüre.

Ich horche dann in mich hinein, denke „Ach, Angst, was willst du schon wieder? Geh einfach weg, ich brauch dich grad nicht“.

Und tatsächlich schaff ich es, die Angst niederzudrücken, ehe sie mich einnimmt. Das hört sich wahrscheinlich seltsam an. Aber es funktioniert. Und es ist ein gutes Gefühl, weil ich gelernt habe, dass ich mich selbst regulieren kann. Allein durch mein Denken. Und damit habe ich das Entscheidende geschafft:

 

Ich habe die Angst vor der Angst verloren!

 

Anmerkung:

Nicht nur meine langjährige therapeutische Arbeit mit Angstpatienten hat mich zu diesem Blogartikel angeregt, sondern auch eigene Erfahrungen mit einer Panikstörung. Die Berichte der Betroffenen sind fast immer gleich … obwohl die Lebensumstände so unterschiedlich sind.

Ihre Kerstin Lang (Heilpraktikerin Psychotherapie)

 

Leiden auch Sie unter Angststörungen und/oder Panikattacken?

 

Wie haben Sie es geschafft, mit Ihrer Angst umzugehen?

 



Kommentar schreiben

Kommentare: 2
  • #1

    Nicole B. (Samstag, 07 Oktober 2017 12:32)

    Können sie mich bitte einmal kontaktieren. Ich hab schon soviel versucht abr meine Äangst und Panik gehen nicht weg nichts bessert schon aoviel Therapien alles bringt nichts es besserr sich kein bisschenm ich fühle mixh schon fast therapieresistent als könnte mir niemand helfen.

  • #2

    KL-Atelier (Samstag, 07 Oktober 2017 12:36)

    Liebe Nicole B.,
    es wäre verantwortungslos und auch nicht erlaubt, hier entsprechende Fern-Diagnosen auszusprechen oder gar eine Fern-Therapie durchzuführen. Daher rate ich Ihnen dringend, sich an einen Therapeuten in Ihrer Nähe zu wenden. Entsprechende Listen finden Sie im Internet, oder erkundigen Sie sich bei Ihrer Krankenkasse.
    Ich wünsche Ihnen sehr, dass Sie zeitnah einen kompetenten Therapeuten finden.
    In akuten Krisensituationen können Sie sich jederzeit an die (kostenlose) Hotline der Telefonseelsorge 0800/111 0 111 oder 0800/111 0 222 wenden. Dort finden Sie auch eine Chatberatung oder Mailberatung.
    Hier der Link: www.telefonseelsorge.de.

    Liebe Grüße und viel Glück.
    Kerstin Lang